Abbildung 17: Inzidenz vollständig geimpfter und ungeimpfter symptomatischer und hospitalisierter COVID-19-Fälle pro 100.000 nach Altersgruppen, Impfstatus und Meldewoche (Datenstand 23.11.2021). Bitte die unterschiedliche Skalierung der y-Achsen beachten. (Hier nur Hospitalisierte ab 60). Quelle: RKI aaO
4. Man kann aus den unterschiedlichen Raten auch die Impfeffektivität berechnen. Auch diese Angaben finden sich im RKI-Bericht (Abb. 18 auf Seite 25). Die orangefarbene Kurve stellt wieder die Personen ab 60 dar. Man sieht, dass die Effektivität bezüglich Hospitalisierung und Tod bei 85% bis 90% liegt. Das deckt sich sehr gut mit den Zulassungsstudien der verwendeten Impfstoffe. Die Entwicklung der sogenannten Impfdurchbrüche bei den Geimpften ist daher, anders als in vielen Pressemeldungen dargestellt, keine Überraschung. Sie liegt im Bereich dessen, was von Anfang an aufgrund der Ende 2020 veröffentlichten Zulassungsstudien zu erwarten war.
Abbildung 18: Effektivität der COVID-19-Impfungen gegenüber symptomatischer COVID-19-Erkrankung, COVID-19 assoziierter Hospitalisierung, Intensivmedizinischer Behandlung und Todes und nach Altersgruppe (Datenstand 23.11.2021). Insbesondere für die letzten beiden Kalenderwochen ist aufgrund von zu erwartenden Nachmeldungen mit Änderungen der geschätzten Werte der Impfeffektivität zu rechnen. Quelle: RKI aaO
5. Ein Abfall der Impfeffektivität zeigt sich hauptsächlich bei symptomatischen Infektionen, aber kaum bei den schwereren Verläufen mit Hospitalisierung, Intensivbehandlung oder Tod. In dieser RKI-Auswertung wird natürlich nicht der Abstand zum zweiten Impftermin gemessen, sondern nur der Bezug zur Meldewoche dargestellt. Wenn es aber bei den schon früh geimpften Älteren einen dramatischen Einbruch gäbe, müsste man ihn auch hier sehen. Die verschiedenen Beobachtungsstudien, die zur Abschwächung der Impfwirkung (zum sogenannten „Waning“) vorliegen, geben dazu ein genaueres Bild kommen aber bezüglich der schweren Verläufe überwiegend zu ähnlichen Ergebnissen.
6. Die Booster-Impfung hebt die Schutzwirkung nach derzeitigem Wissensstand von rund 90% auf ca. 97% an. Das ist individuell ein relativ kleiner, aber sicher nicht unbedeutender Gewinn. Angesichts der großen Zahl der Menschen in der Altersgruppe ab 60 (24,1 Millionen) hat die scheinbar nur etwas höhere Schutzwirkung aber einen erheblichen Einfluss auf die absolute Zahl der Krankenhausfälle. Bei einer Impfeffektivität von 90% gibt es potenziell 2,4 Millionen „Impfversager“, die sich mit SARS-CoV2 anstecken können. Bei einer Effektivität von 97% reduziert sich diese Zahl auf rund 723.000, die sich nicht alle und vor allem nicht alle gleichzeitig anstecken werden. Daher ist die Booster-Impfung vor allem der Älteren wichtig zur Unterbrechung des Anstiegs der Krankenhaus- und der Intensivfälle. Die Impfung von Kindern hilft dagegen nicht weiter. Diese stellen nicht das Problem hinsichtlich der Krankenhausbelastung dar.
Um auf die halbwahren Artikel zurückzukommen: In diesen wird mit zwar oft korrekten, aber einseitig ausgesuchten Zahlen gearbeitet. Das erzeugt zunächst den Eindruck von Seriosität. Wesentliche Sachverhalte, speziell die Bezüge zur Grundgesamtheit bzw. die errechneten Raten werden aber völlig unterschlagen. Die Interpretationen und die Schlussfolgerungen und der erzeugte Gesamteindruck, dass die Impfung kaum helfe, sind daher völlig irreführend. Dies ist ein falscher Eindruck, der derzeit, aus welchen Gründen auch immer, in vielen Presseberichten erzeugt wird.
Leider wird solchen Artikeln auch durch einseitige Darstellungen der Gegenseite Vorschub geleistet. Wie die oben erörterten Zahlen zeigen, haben wir nicht nur eine Epidemie der Ungeimpften, aber eben hauptsächlich eine Epidemie der Ungeimpften. Man könnte das durchaus sachlicher darstellen. Damit würde man den Verbreitern von Halbwahrheiten auch den Nährboden entziehen. Man muss leider auch anmerken, dass die Booster-Impfung zwar die Zahl der schweren Erkrankungen deutlich weiter reduzieren wird, aber diese wird, wie zuvor dargestellt, nicht auf Null zurückgehen.
Dass die Impfung wirkt, lässt sich mit einer anderen Überlegung illustrieren: Im Zeitraum der Kalenderwochen 43 bis 46 gab es laut RKI-Bericht in der Altersgruppe ab 60 insgesamt 996 neu aufgenommene Intensivpatienten mit COVID-19, davon 462 vollständig geimpft (zu beziehen auf 90% der entsprechenden Einwohner) und 534 nicht geimpft (10% der entsprechenden Einwohner). Beide Zahlen sind wegen des Meldeverzuges eher etwas zu niedrig und mit Meldeungenauigkeiten behaftet, was aber für die Größenordnung der hier gemachte Überlegung nicht entscheidend ist. Wenn man einmal annähme, dass die Impfung nicht wirken würde und die Geimpften somit mit der gleichen Häufigkeit in die Intensivbehandlung kämen wie die nicht Geimpften, dann hätten wir rechnerisch nur in diesem Zeitraum mit 5.340 statt 996 neuen Intensivfällen rechnen müssen – zusätzlich zu den schon zuvor aufgenommenen und noch in Behandlung befindlichen. Die jüngeren Altersgruppen sind dabei noch nicht berücksichtigt.
In der Summe der kumulativen Effekte würde damit die aktuell in Behandlung befindliche Zahl der Intensivfälle geschätzt bei rund 40.000 liegen statt der derzeit tatsächlich behandelten rund 5.000. Dies hätte tatsächlich zu einem Zusammenbruch der Versorgung geführt. Die Rechnung ließe sich mit genauerer Aufschlüsselung der Altersgruppen (liegt dem Autor nicht vor) weiter verfeinern, was aber am Sachverhalt nur wenig ändert.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Impfung eine erhebliche Wirkung hat. Diese lässt sich durch die Booster-Impfung sowie auch die Impfung der derzeit Ungeimpften nochmals deutlich verbessern. Ganz besonders sollte aber angemerkt werden, dass die betroffenen Personen vor allem auch ihren eigenen Schutz verbessern und daher eine Motivation zur Impfung haben sollten. Dennoch verbleibt auch bei weiterem Impffortschritt zwar ein deutlich weiter verkleinerter Anteil an Impfdurchbrüchen und damit auch an Krankenhausfällen. Dieser geht aber nicht auf Null zurück.
Perspektivisch sei angemerkt, dass eine baldige Verfügbarkeit der neueren, auf Virusproteinen basierten Impfstoffe, die sich aktuell im Zulassungsverfahren befinden, diejenigen Impfskeptiker überzeugen könnte, die Vorbehalte gegenüber den auf mRNA beruhenden Impfstoffen haben. Dies, zusammen mit einer sachlicheren Informationspolitik dürfte ein besserer Weg zur Impfung sein als ein genereller Impfzwang.
Alles in allem sind die Pressemeldungen von beiden Lagern mehr als unbefriedigend. Statt über die ziemlich klare Faktenlage zu reden, buddelt man sich in die Schützengräben ein und wirft sozusagen mit Handgranaten um sich. Glücklich sind die, die die gar nicht so unklaren Zahlen direkt lesen können bzw. wollen und die nicht auf die Sekundärberichterstattung oder die Talkshows angewiesen sind, die eher das Lagerdenken befördern als eine ruhige und sachliche Information voranzutreiben.
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Sichere Räume in einer Pandemie
Clusterbildung, Selbstregulation und Ausbreitung in der Pandemie
Beitrag vom 02.12.2021
Dieter Köhler, Gerhard Scheuch, Thomas Hausen und Thomas Voshaar
Beitrag vom 09.12.2021
Autor: Thomas Mansky
Pressemitteilungen zu unseren wissenschaftlichen Publikationen
Wie stehen Sie zu dem Entwurf?
Auf die Coronapandemie wurde weltweit unterschiedlich reagiert: Vom totalen Lockdown (China) bis zu geringen Einschränkungen des öffentlichen Lebens (Schweden). Die Aufarbeitung hat manchmal früh begonnen (Schweden) oder scheitert an den politischen Implikationen für Entscheidungsträger (Deutschland). Es fehlt für den Pandemievertrag die inhaltliche Grundlage, denn es ist ungeklärt, welche Maßnahmen sich als erfolgreich erwiesen haben. Zudem sind die Vorgänge zu komplex, um sie in solchen Verträgen mit weitreichender Eingriffsberechtigung zu fixieren. In unserer Stellungnahme zeigen wir wissenschaftlich unbewiesene und potentiell gesundheitsschädliche Annahmen der WHO auf, die dem Vertragsentwurf zugrunde liegen.
Fürchten Sie Nachteile für Menschen bzw. Patienten?
Ja. Die WHO soll wissenschaftliche und evidenzbasierte Bewertungen einer Pandemie durchführen und entsprechende Empfehlungen (Leitlinien) aussprechen. Dieses setzt voraus, dass man die wissenschaftlichen Prinzipien kennt. Enthalten die Leitlinien Fehler, so werden diese für lange Zeit zementiert, wie die jetzige Pandemie bereits gezeigt hat. Drei Beispiele:
1. Bis jetzt ist in den Hygieneempfehlungen der WHO nicht berücksichtigt, dass sich Pandemien mit respiratorischen Virusinfektionen fast nur durch die Ausatmung virushaltige Partikel verbreiten. Husten, Nießen und Sprechen spielen nahezu keine Rolle, wie die Forschung über die Influenzapandemien seit ca. 2010 belegt hat. Trotz neuer Daten aus der Coronapandemie ist eine Anpassung der WHO-Hygieneregeln immer noch nicht erfolgt. Die neuen Daten zeigen, dass man einer Infektion nicht ausweichen kann, da sich die kleinen Viruspartikel länger in Räumen mit unzureichender Luftreinigung halten können, auch wenn die infizierte Person den Raum schon verlassen hat. Durch geeignete Maßnahmen (Masken, kurze Aufenthaltszeiten in kleinen Räumen, Luftreinigung) lässt sich die Zahl der eingeatmeten Viren reduzieren, damit das Immunsystem Zeit hat zu reagieren. Damit werden schwere oder tödliche Verläufe stark reduziert (1).
2. Die Empfehlung der WHO bereits bei geringer Sauerstoff-Sättigungsabfall zu intubieren und zu beatmen, hat die Zahl der Todesfälle drastisch erhöht. Für diese Empfehlung gibt es keine Evidenz (2).
3. Es fehlen Daten, um Auffrischimpfungen zu begründen. Es fehlen insbesondere randomisierte Studien mit Kontrollgruppen wie bei der Zulassung der Impfstoffe. Die angeführten epidemiologische Beobachtungsstudien sind extrem anfällig für massive Verzerrungen. Im Vergleich zu den nicht-Geimpften leben geimpfte Personen im Mittel deutlich risikoarmer. Die daraus folgenden unterschiedlichen Gruppen der Geimpften und Ungeimpften erfordern höchst anspruchsvolle Methoden, um daraus den Impfeffekt so zuverlässig wie möglich schätzen zu können (3).
1. https://www.sokrates-rationalisten-forum.de/lehren-aus-der-pandemie
Autoren:
Prof. Dr. med. Dieter Köhler (ehemaliger Direktor, Klinikum Kloster Grafschaft, Schmallenberg)
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Peter Nawroth, em. Direktor Innere Medizin I und Klinische Chemie, Univ. Heidelberg
Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes (Mathematiker und Medizinstatistiker, Universität Freiburg)
Dr. phil. nat. Gerhard Scheuch (Physiker mit Schwerpunkt Aerosolmedizin)
Dr. med. Thomas Voshaar (ehem. Chefarzt, Lungen- und Thoraxzentrum Moers; Vorsitzender des Verbandes Pneumologischer Kliniken e.V.)
Dr. med. Thomas Hausen (Hausarzt im Ruhestand)
Dr. med. Patrick Stais, LL.M., MHBA (Pneumologe, Lungen- und Thoraxzentrum Moers)
Priv. Doz. Dr. Andreas Edmüller (Philosophie, LMU München)
Den Artikel in der Bayrische Staatszeitung können Sie hier lesen:
Mit dem Lufthygiene-Check haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Hendrick Streeck einen Leitfaden entwickelt, mit dem man das individuelle Infektionsrisiko in Innenräumen errechnen kann.
Trotz 2-G-Regeln bleibt die Gefahr für eine Corona-Ansteckung in Innenräumen groß. Wissenschaftler um den Virologen Hendrik Streeck haben eine Checkliste entworfen, wie sich die Gefahr etwa in Restaurants verringern lässt.
Die invasive Beatmung ist immer noch eine Standard-Behandlung bei schwerst erkrankten Covid-19-Patientinnen und Patienten in Deutschland. Über die Hälfte der Menschen stirbt dabei. Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass die Todesraten bei schonenderen Behandlungen niedriger sein können.
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