1. Jan. 2020 – 16. Nov. 2021
1. Jan. 2020 – 16. Nov. 2021
1. Jan. 2020 – 16. Nov. 2021
1. Jan. 2020 – 16. Nov. 2021
Chaotische Systeme bezeichnen eine Unvorhersagbarkeit von Ereignissen, wie sie vom Wetter bekannt sind, das nur eine begrenzte Zeit vorhergesagt werden kann. Es ist zu komplex und von zu vielen Einflussfaktoren abhängig. In chaotischen Systemen führen zwar gleiche Anfangsbedingungen zu gleichen Ergebnissen, allerdings können bereits kleinste Änderungen der Anfangs- oder Randbedingungen große Veränderungen des Ergebnisses nach sich ziehen können.
Die Ähnlichkeiten der Infektionsausbreitung mit chaotischen Mustern hilft allein noch wenig weiter, erklärt auch noch nicht die Unterschiede zwischen den beiden amerikanischen Bundesstaaten und den verschiedenen Landkreisen. Es muss zusätzlich eine Gegenregulation im Infektionsgeschehen berücksichtigt werden. Was ist damit gemeint? Rückkopplungen bzw. Verhaltensänderungen entstehen in Gruppen, wenn sie von außen Gefahren ausgesetzt werden. Je enger der Kontakt, umso stärker die Gegenregulation, um das Cluster zu stabilisieren. Solche selbstregulierenden Systeme werden in der Biologie auch als Schwarm bezeichnet. Ein bekanntes Beispiel sind die Vogelschwarmbildungen und deren Bewegungen.
Kommt es also in diesen kleinen Clustern oder Strukturen zu einer Infektion, führt das sofort zu Verhaltensänderungen der anderen Mitglieder. Je mehr sich infizieren und je schwerer sie krank werden, umso stärker sind die Reaktionen. Solche Cluster können Familien aber auch Nachbarschaften und Dörfern sein, Arbeitsplätze, Pflegeheime und Krankenhäuser. Die Gruppe reagiert mit verschärften Kontakteinschränkungen und Hygienemaßnahmen, die obwohl bekannt, vorher oft kaum genutzt wurden. Sie tragen plötzlich ihre Masken, halten Abstand und reduzieren die Kontakte. Dadurch geht das Infektionsgeschehen in diesem Cluster zurück.
Die Daten sprechen für die Hypothese, dass das Pandemiegeschehen hauptsächlich von diesen einzelnen Clustern bestimmt wird. Gerade in den Milieus, wo sich etwa aus sprachlichen Gründen andere Mediensysteme als in der Mehrheitsgesellschaft etabliert haben, sind häufiger Cluster zu finden, wie Erfahrungen aus der Intensivmedizin gezeigt hat. Hier gibt es nicht selten Kommunikationsbarrieren, weswegen dort eine besondere Sorgfalts- bzw. Betreuungspflicht für den Staat besteht. Durch die Gegensteuerung bei einem Ausbruch in einer Gruppe oder Cluster wird die Infektionsausbreitung bereits dort oft gebremst oder sogar eingedämmt. Die Konsequenz ist, dass große Lockdown-Maßnahmen zumeist an der Realität vorbeigehen, zu spät kommen oder der erhoffte Effekt nicht eintritt. So waren beispielsweise im vergangenen Frühjahr in Spanien extrem harte Lockdown-Maßnahmen verhängt worden, inklusive einer streng kontrollierten Ausgangssperre; die Infektionszahlen sanken aber erst Wochen später mit dem wärmeren Wetter. Lockdown-Maßnahmen werden zudem auch nicht in allen Clustern wegen ihrer Unterschiedlichkeit gleich wirksam sein können.
Interessant zu beobachten ist auch, dass die Kurvenverläufe nie den Berechnungen der Epidemiologen folgen und bestimmte Maßnahmen zu einer erwarteten Abflachung der Kurve führen. Sondern ab einem bestimmten nicht vorhersagbaren Punkt, geht die Steigung sofort und fast schlagartig in einen Abwärtstrend des Kurvenverlaufes über.
Was können wir daraus lernen?
Änderung im Zeitverlauf
Der wesentliche Inhalt unserer Hypothese zur Clusterbildung und Selbstregulierung war Gegenstand eines Gastbeitrags von uns in der Neuen Züricher Zeitung im Februar 2021 (Zum Beitrag). Im Prinzip hat sich an der Thematik nichts geändert. Die Situation ist aber durch die hohe Impfquote in Deutschland (im November 2021 ca. um 75 %) deutlich besser geworden. Wir haben zwar ähnliche Inzidenzen wie vor einem Jahr, aber die Todesrate liegt etwa in den Bereichen der Jahre vor der Pandemie. Das ist eindeutig ein Erfolg der Impfung. Typischerweise steigt die Todesrate mit Beginn des Herbstes an, wenn die Infekte zunehmen. Länder mit ähnlicher Infrastruktur zeigen ein vergleichbares Verhalten. Übrigens ist auch die Zahl der Krankenhausaufnahmen für alle Erkrankungen bei Geimpften deutlich niedriger im Vergleich zu Ungeimpften. Das ist ein wichtiges Argument, um Impfskeptiker zu überzeugen.
Was aber viele unserer Mitbürger umtreibt und bisweilen zur Verzweiflung bringt: Warum sind die Inzidenzen so hoch, obwohl doch so viele Menschen geimpft sind? Dafür gibt es eine wissenschaftlich seriöse Erklärung: Auch Geimpfte inhalieren die virushaltigen kleinen Aerosole, die sich zumeist in der Nase niederschlagen. Dort können sie sich in der Schleimhaut (auch Riechschleimhaut) vermehren wie zuvor. Erst wenn sie ins Blut kommen, kann die Immunabwehr reagieren. Antikörper und zelluläre Immunabwehr inaktivieren die Viren, sodass oft nur milde oder keine Symptome entstehen. Was aber jeder wissen muss: Natürlich gibt es trotzdem manchmal schwere Erkrankungen, da ein Impfschutz nie hundertprozentig wirksam ist. Diese nüchterne Betrachtungsweise ist uns aber in dieser Pandemie verloren gegangen.
Warum vermehren sich aber die Viren in der Nase, obwohl man geimpft ist? Das erklärt sich aus dem Impfvorgang: Die Impfflüssigkeit wird in den Muskel und damit ins Blut gespritzt. Dort wird anschließend die Immunabwehr stimuliert. Sie findet jedoch nicht bzw. deutlich schwächer in der Schleimhaut der oberen Atemwege statt. Dabei gibt es auch eine spezifische, stimulierbare Immunabwehr in der Nasenschleimhaut, insbesondere die Immunglobulin-A Antikörper. Diese werden vor allem stark aktiviert, wenn das Virus auf dem natürlichen Wege in den Körper gelangt, also auf der Schleimhaut der Atemwege deponiert. Daraus erklärt sich die bessere Immunabwehr bei Geimpften, wenn Sie sich später auf natürlichem Wege mit Coronaviren infizieren. Diese ist aus dem Blickwinkel der Stimulation des Immunsystems sogar effektiver als eine Boosterimpfung.
Unser Fazit: Wir haben keine mit dem vergangenen Jahr vergleichbare Inzidenz. Vielmehr ist es eine Meldeinzidenz mit vielen Geimpften, die nie oder nur wenig krank werden. Das ist eine positive Botschaft. Deswegen müssten die Abwehr- oder Vorsichtsmaßnahmen entsprechend angepasst bzw. abgemildert werden.
Wären wir als Gesellschaft bei den früheren Epidemien in gleicher Weise vorgegangen, so wären in einzelnen Regionen (Clustern) schnell Inzidenzen von über 1000 herausgekommen. Jetzt haben wir aber das erste Mal ein diagnostisches Mittel wie die Tests als Präventionsinstrument eingesetzt. Den rationalen Umgang mit diesem neuen Instrumentarium müssen wir offenbar erst noch lernen. Das ist in der Medizingeschichte aber häufig zu beobachten gewesen.
Es gibt noch einen anderen wichtigen Aspekt aus der Pandemie-Forschung. Die aktuell hohen Inzidenzraten mit oft nur leichtem oder fehlendem Krankheitsverlauf führen auf der Basis einer Grundimmunisierung durch Impfungen zu einer Beschleunigung des Weges in den Status einer Endemie, also eines dauerhaften Verbleibens des Virus mit am Ende nur noch schwachen Reaktionen, ähnlich wie bei den anderen Corona- oder Influenzaviren, die bei uns schon endemisch sind. Dies ist ein wichtiger Aspekt bezüglich des endgültigen Ausweges aus der Pandemie, da es nicht gelingen wird wie z. B. beim Pockenvirus, den Coronavirus auszurotten. Es gibt genug Daten, die zeigen, dass es in manchen Menschen, mit symptomfreien Intervallen über Wochen, in Einzelfällen auch über Monate persistieren kann. Bei bestimmen Situationen mit passagerer Immunschwäche bricht er dann wieder aus, ähnlich wie der Herpesvirus an der Lippe oder auch die häufigen banalen Infekte, die oft durch Rhinoviren ausgelöst werden, welche in der Nase häufiger dauerhaft persistieren.
Von solchen persistierenden Viren kann immer wieder eine Pandemie ausgehen, wenn bestimmte Mutationen die Infektiosität erhöhen. Dann entwickelt sich eine Pandemie im Verlauf durch Immunisierung und Impfung typischerweise über die regionale Epidemie zur Endemie, also zu vereinzelten lokalen Ausbrüchen. Das ist bei der Influenza typisch. Also müssen wir mit dem Virus leben. Durch den Impferfolg ist die Pandemie im Wesentlichen vorbei, jedenfalls wenn man die Entwicklung mit Abstand betrachtet. Es gibt auch ansonsten positive Nachrichten: Die Entwicklung von Kombi-Impfstoffen gegen Influenza und Coronaerkrankung kommt voran, um in absehbarer Zukunft die Risiken solcher Epidemien begrenzen zu können. Die in diesen Tagen regional angespannte Lage auf den Intensivstationen ist ein anderes Thema, das uns noch einmal gesondert beschäftigen wird. Hier zeigen sich die Strukturfehler unseres Gesundheitssystems, deren Ursachen nicht einem Virus anzulasten sind. Sie werden durch ihn nur sichtbar gemacht.
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Beitrag vom 02.12.2021
Dieter Köhler, Gerhard Scheuch, Thomas Voshaar und Thomas Hausen
Am Anfang der Pandemie vor bald zwei Jahren wussten wir wenig und waren daher aus guten Gründen besonders vorsichtig. Davon waren auch die Hygieneempfehlungen geprägt, weil wir nicht viel über die Ausbreitung wussten und den wichtigsten Ausbreitungsweg in einer Pandemie noch nicht im Blick hatten: Die Abatmung von virushaltigen kleinen Aerosolen. Es dauerte seine Zeit bis sich hier der Nebel lichtete, um einmal im Bild zu bleiben.
Gesellschaft für Aerosolforschung
Association for Aerosol Research
Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung
7. Dezember 2020
Rüdiger Külpmann
Prof. Dr.-Ing.
Hochschule Luzern – Technik & Architektur, IGE
Technikumstrasse 21, 6048 Horw
www.hslu.ch/ige, ruediger.kuelpmann@hslu.ch
Pressemitteilungen zu unseren wissenschaftlichen Publikationen
Wie stehen Sie zu dem Entwurf?
Auf die Coronapandemie wurde weltweit unterschiedlich reagiert: Vom totalen Lockdown (China) bis zu geringen Einschränkungen des öffentlichen Lebens (Schweden). Die Aufarbeitung hat manchmal früh begonnen (Schweden) oder scheitert an den politischen Implikationen für Entscheidungsträger (Deutschland). Es fehlt für den Pandemievertrag die inhaltliche Grundlage, denn es ist ungeklärt, welche Maßnahmen sich als erfolgreich erwiesen haben. Zudem sind die Vorgänge zu komplex, um sie in solchen Verträgen mit weitreichender Eingriffsberechtigung zu fixieren. In unserer Stellungnahme zeigen wir wissenschaftlich unbewiesene und potentiell gesundheitsschädliche Annahmen der WHO auf, die dem Vertragsentwurf zugrunde liegen.
Fürchten Sie Nachteile für Menschen bzw. Patienten?
Ja. Die WHO soll wissenschaftliche und evidenzbasierte Bewertungen einer Pandemie durchführen und entsprechende Empfehlungen (Leitlinien) aussprechen. Dieses setzt voraus, dass man die wissenschaftlichen Prinzipien kennt. Enthalten die Leitlinien Fehler, so werden diese für lange Zeit zementiert, wie die jetzige Pandemie bereits gezeigt hat. Drei Beispiele:
1. Bis jetzt ist in den Hygieneempfehlungen der WHO nicht berücksichtigt, dass sich Pandemien mit respiratorischen Virusinfektionen fast nur durch die Ausatmung virushaltige Partikel verbreiten. Husten, Nießen und Sprechen spielen nahezu keine Rolle, wie die Forschung über die Influenzapandemien seit ca. 2010 belegt hat. Trotz neuer Daten aus der Coronapandemie ist eine Anpassung der WHO-Hygieneregeln immer noch nicht erfolgt. Die neuen Daten zeigen, dass man einer Infektion nicht ausweichen kann, da sich die kleinen Viruspartikel länger in Räumen mit unzureichender Luftreinigung halten können, auch wenn die infizierte Person den Raum schon verlassen hat. Durch geeignete Maßnahmen (Masken, kurze Aufenthaltszeiten in kleinen Räumen, Luftreinigung) lässt sich die Zahl der eingeatmeten Viren reduzieren, damit das Immunsystem Zeit hat zu reagieren. Damit werden schwere oder tödliche Verläufe stark reduziert (1).
2. Die Empfehlung der WHO bereits bei geringer Sauerstoff-Sättigungsabfall zu intubieren und zu beatmen, hat die Zahl der Todesfälle drastisch erhöht. Für diese Empfehlung gibt es keine Evidenz (2).
3. Es fehlen Daten, um Auffrischimpfungen zu begründen. Es fehlen insbesondere randomisierte Studien mit Kontrollgruppen wie bei der Zulassung der Impfstoffe. Die angeführten epidemiologische Beobachtungsstudien sind extrem anfällig für massive Verzerrungen. Im Vergleich zu den nicht-Geimpften leben geimpfte Personen im Mittel deutlich risikoarmer. Die daraus folgenden unterschiedlichen Gruppen der Geimpften und Ungeimpften erfordern höchst anspruchsvolle Methoden, um daraus den Impfeffekt so zuverlässig wie möglich schätzen zu können (3).
1. https://www.sokrates-rationalisten-forum.de/lehren-aus-der-pandemie
Autoren:
Prof. Dr. med. Dieter Köhler (ehemaliger Direktor, Klinikum Kloster Grafschaft, Schmallenberg)
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Peter Nawroth, em. Direktor Innere Medizin I und Klinische Chemie, Univ. Heidelberg
Prof. Dr. rer. nat. Gerd Antes (Mathematiker und Medizinstatistiker, Universität Freiburg)
Dr. phil. nat. Gerhard Scheuch (Physiker mit Schwerpunkt Aerosolmedizin)
Dr. med. Thomas Voshaar (ehem. Chefarzt, Lungen- und Thoraxzentrum Moers; Vorsitzender des Verbandes Pneumologischer Kliniken e.V.)
Dr. med. Thomas Hausen (Hausarzt im Ruhestand)
Dr. med. Patrick Stais, LL.M., MHBA (Pneumologe, Lungen- und Thoraxzentrum Moers)
Priv. Doz. Dr. Andreas Edmüller (Philosophie, LMU München)
Den Artikel in der Bayrische Staatszeitung können Sie hier lesen:
Mit dem Lufthygiene-Check haben Wissenschaftler um Prof. Dr. Hendrick Streeck einen Leitfaden entwickelt, mit dem man das individuelle Infektionsrisiko in Innenräumen errechnen kann.
Trotz 2-G-Regeln bleibt die Gefahr für eine Corona-Ansteckung in Innenräumen groß. Wissenschaftler um den Virologen Hendrik Streeck haben eine Checkliste entworfen, wie sich die Gefahr etwa in Restaurants verringern lässt.
Die invasive Beatmung ist immer noch eine Standard-Behandlung bei schwerst erkrankten Covid-19-Patientinnen und Patienten in Deutschland. Über die Hälfte der Menschen stirbt dabei. Eine aktuelle Studie deutet darauf hin, dass die Todesraten bei schonenderen Behandlungen niedriger sein können.
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